Reaktionen in den sozialen Medien während der Online-Befragungen zu Corona

Apr 19, 2021 | News

Wissenschaft und Social Media – ist das eine gute Mischung? Manchmal schon. Seit 2014 habe ich immer wieder Aufrufe zur Teilnahme an Online-Befragungen zum menschlichen Verhalten nach Extremwetterereignissen in Deutschland vor allem bei Facebook geteilt. Das lief meist sehr gut: Viele Menschen nahmen an den Studien teil, insgesamt in fünf Schadensereignissen bis 2019. Aber dann kam Corona und damit Unverständnis und Hass für meine Forschung.

Beitragsart: Rahmenbedingungen der Forschung

 

Als einer der ersten setzte ich Anfang 2020 eine Studie zu den sozialwissenschaftlichen Aspekten der Corona-Krise auf. Zunächst befragte forsa in unseren Auftrag rund 1.000 Menschen repräsentativ, zeitgleich startete ich am 20.03.2020 einen Aufruf über meine Seite „Katastrophenforschung“ [heute: „Krisenforschung“] auf Facebook zur Teilnahme an der Studie.

Diesmal ging es nicht darum, Menschen eines lokalen Ereignisses, wie beim Starkregen in Münster, dem Tornado von Bützow oder dem Schneechaos in Süddeutschland zu befragen. Diesmal konnte jeder teilnehmen, aus dem gesamten Bundesgebiet. Daher buchte ich bei Facebook ein Werbekontigent, um meinen Aufruf möglichst vielen Menschen anzeigen zu lassen.

Schon viele der ersten Reaktionen waren extrem aggressiv und beleidigend. Und ich war verunsichert: Ich wollte einen Beitrag leisten zur Bewältigung der Pandemie, geriet nun aber in den Fokus von – wie es schien – Trollen. Dabei erschien mir die Forschung als neutrale Instanz, ich konnte mir keinen Reim auf diese Aggression machen.

Ich habe die ersten Kommentare gelöscht und Hassmelden kontaktiert. Es ist ein Segen, dass diese Einrichtung existiert. Sie hat mich gut beraten. Letztlich habe ich einfach alles laufen lassen. An den zwei Online-Befragungen, die wir durchgeführt haben, nahmen auch schließlich mehr als 5.000 Menschen teil, ein großer Erfolg. Und dies umso mehr, als die Ergebnisse gut zu denen der repräsentativen Untersuchung passten.

Währenddessen lief die Kommentarfunktion heiß: Unser Aufruf zur zweiten Studie wurde über 700 Mal kommentiert. Zugegeben: Es gab viele Likes, aber noch mehr „Hahas“ und „Wütend“.

 

 

 

 

Im Screenshot sind die Namen der Menschen geschwärzt, die „Haha“ auswählten. Dieser Kommentar, der über einen Button ausgewählt werden kann, hat einen gehässigen und gemeinen Klang und schließt nahtlos an viele der Kommentare an.

Manuela M. P. fragte noch recht harmlos: „Wieder am Daten sammeln?“ Aber bereits Carla W. ist sich sicher: „Der Fragebogen dient nicht dazu seine Meinung zu sagen. Er ist politisch genormt.“ Politisch genormt? Die entsprechende Definition würde ich gerne sehen.

Sie wird mir durch Paul K. geliefert: „Steckt euch den Fragebogen sonst………. es kommt eh nur Merkels Wahrheit raus,so wie immer.

Jetzt wird mir einiges klar: Ich werde hier als Repräsentant des Staates wahr genommen. Staat und Wissenschaft Hand in Hand als Verschwörer. Anscheinend ist dies der Faktor, um den Unmut dieser Menschen zu entfachen. Oder einfach die Tatsache, dass man Corona als real betrachtet.

Andy F. vermutet noch einen anderen Schulterschluss: „Gesponsert durch Bill Gates oder was!“ Und Meinard S. hat allgemein etwas gegen Corona – und Forschung: „Hört endlich mal auf, mit eurem “ Corona S c h m a r n “ und die Leute dazu aus fragen….. – pfui…. !

Auf einige der wüstesten Kommentare verzichte ich an dieser Stelle und komme zu folgendem Fazit:

  1. Es ist nichts Neues, wird mir aber hier sehr deutlich: Die Rahmenbedingungen, unter denen Wissenschaft stattfindet, sind ein wichtiger Faktor. Fünf Mal haben mir soziale Medien gute Dienste geleistet, ein Mal haben sie mir einiges Kopfzerbrechen bereitet. Das aber münze ich einfach in neue Forschungsthemen um.
  2. Die Kommentarfunktion ist ein völlig ungeeignetes Instrument der Kommunikation. Gibt es da nicht bessere Konzepte? Wenn Sie solche kennen, schreiben Sie mir bitte hier.

[P.S. Weitere Studien wurden in Zusammenarbeit mit Appinio durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein sehr interessantes Umfrageunternehmen, dass mir bis dahin vollkommen unbekannt gewesen war.]

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